Der Weber aus dem Stubaital

Allgemein | Tradition
11.07.2018
Erstellt von Karl Kuenstner - Quelle: stubai.at/blog

Wer Martin Stern in seiner Weberei in Neustift besucht, erfährt einiges über traditionelles Handwerk, neue Ideen und, dass es auch ohne exakten Terminplan geht. Seine Werkstatt in Neustift, im Ortsteil Außerrain, gleicht einem Museum, aber die Zeit ist hier nicht stehengeblieben.

Es war vor über dreißig Jahren, als Martin Stern beschloss, in den Familienbetrieb einzusteigen und das zu tun, was schon zwei Generationen vor ihm machten: Teppiche weben. Dass es dazu kam, war vorhersehbar. „Meine Gehschule stand praktisch neben dem Webstuhl“, schmunzelt der Stubaier.

Die hölzernen Webstühle und gußeisernen Webmaschinen in der Werkstatt sind hundert Jahre und älter. Sein Vater und sein Großvater haben sie nach und nach zusammengetragen. Bis heute sind die Maschinen im Einsatz und versehen verlässlich ihren Dienst. Martin genießt sichtlich das Rumpeln und Rattern in seiner Werkstatt.

Bis zu 1.200 Kettfäden

Die Arbeit des Webers erfordert Geduld und Genauigkeit. Diese ist beim Einspannen der feinen Kettfäden besonders wichtig. Bis zu 1.200 spannt Martin einzeln in den Webstuhl, jeder exakt durch diverse Ösen geführt. Ein Fehler würde sich unweigerlich im Muster zeigen.

Mit dem selbstgeschnitzten „Schiff“ schießt Martin den dicken Wollfaden zwischen den Kettfäden durch. Dann schwingt ein breiter Holzbalken krachend gegen das Gewebe. Immer zwei Mal, damit es auch fest wird. Eine lange Holzstange dient dabei als Schalter für den alten Elektromotor. Vor dem nächsten „Schuss“ hebt und senkt die filigrane Mechanik der Maschine die Kettfäden in einem vorgegebenen Rhythmus. Gesteuert durch eine Lochkarte, zaubert sie so das Muster in den Stoff. Beim Weben am Webstuhl steuert Martin das Muster durch Treten diverser Fußpedale, der schwere Holzbalken wird händisch bewegt. Eine Arbeit, die Gleichmäßigkeit viel Konzentration verlangt.

Moderner „Wilfling“

Aber so traditionell das Weberhandwerk auch wirkt und so alt die Maschinen und Webstühle auch sein mögen, in Martins Werkstatt ist die Zeit nicht stehen geblieben. Er probiert gerne Ungewöhnliches aus. Stolz zeigt er ein Stück leuchtend roten Stoff – seine Interpretation des Stubaier „Wilfling“. Aus diesem ursprünglich dunklen, unscheinbaren Stoff aus Stubaier Schafwolle und Leinen wurden einst robuste Hosen und Jacken für die Bauern und Handwerker im Tal gefertigt. Martin hat daraus einen trendigen Möbelstoff gemacht.

Wolle waschen

Für Martin ist das Schöne an seiner Arbeit, dass es noch Handwerk ist und dass die Grundstoffe wie die Schafwolle auch heute noch großteils und in guter Qualität von den Bauern aus der Region kommt. Martin wäscht sie selbst von Hand. Eine schwere Arbeit, die Erfahrung braucht. Denn das Wollfett, soll erhalten bleiben. „Wenn man die Hand am Teppich reibt und sie leicht fettig glänzt, ist das ein Zeichen für eine gute, fettreiche Wolle“, erklärt Martin. Das Lanolien, wie das Wollfett auch genannt wird, ist entscheidend für die Qualität eines Teppichs. Es sorgt dafür, dass er schmutzabweisend und damit pflegeleicht ist. Lanolin ist auch ein begehrter Rohstoff bei der Kosmetik-Erzeugung.

Besucher willkommen

Die Teppiche aus der Weberei Stern sind Einzelstücke. Das erfordert von den Kunden, sich mit dem Teppich zu beschäftigen – Martin webt nach ihren Wünschen. In dieser Niesche kann er mit seiner Familie von der Weberei leben. Rund zwei Kilo Wolle und zwei Stunden Weben sind für einen Quadratmeter Teppich notwendig. Wann das gute Stück fertig ist, kann Martin aber nicht so genau sagen. Denn es kann schon sein, dass ihm etwas dazwischen kommt wie Besucher, die ihm willkommen sind und für die er sich gerne Zeit nimmt und ihnen mit Leidenschaft über sein Handwerk erzählt.

Seit 1923 gibt es die Weberei Stern in Neustift. Gegründet vom Großvater Franz, hat Martin den Betrieb 1995 von seinem Vater übernommen. Teppiche werden hier seit den 30er Jahren gewebt. In der besten Zeit hatte die Weberei drei Angestellte. Heute sind es Martins Kinder, die im Garten spielen und zwischendurch ihren Vater in der Werktstatt besuchen und hie und da beim Weben helfen.