Leichtfüßig, mit einem fast nicht enden wollenden Ausstoß an Endorphinen und mit einem breiten Grinser im Gesicht, verlasse ich das Basislager des Tandemflugunternehmens fly together in Neustift. Mir erscheint es gerade etwas surreal und noch immer kann ich kaum fassen, was ich in den letzten zwei Stunden erleben habe dürfen: ich bin mt einem Flugdrachen geflogen!
Zur Vorgeschichte:
Vor mittlerweile sieben Jahren bin ich schon mal geflogen. Damals mit einem Paragleiter, ebenfalls als Tandem-Passagier. Es war ein Geburtstagsgeschenk meiner Frau und der Flug war einfach GRANDIOS. Zum einen weil ich mit Heinz Hupfauf einen der erfahrensten Piloten des Stubaitals an meiner Seite hatte und zum anderen weil er mit mir über eine Stunde lang über dem Stubaital „gecruist“ ist.
Als ich dann nachher mit verschiedenen Leuten über das Gleitschirmfliegen gesprochen habe, haben viele gesagt, dass ein Flug mit einem Hängegleiter bzw. Drachenflieger noch viel besser sein müsse und das Gefühl zu „fliegen“ viel intensiver sei. Erstens weil man liegt und nicht sitzt und zweitens weil man eine viel höhere Geschwindigkeit erreicht. Das leuchtete mir zwar ein, meine Lust zu fliegen war vorerst aber einmal gestillt. Später dann, als ich immer wieder verschiedene Drachenflieger am Himmel über dem Stubaital beobachtet habe, fing das „Flug-Feuer“ in mir wieder zu lodern an. Mich hat es immer brennender interessiert, wie es sich anfühlt mit so einem Drachen zu fliegen und was den Unterschied zum Paragleiten wirklich ausmacht.
Ich bin dann auf Michael Müller, den Inhaber von fly together in Neustift, gestoßen. Wie ich später erfahren habe, ist er einer von nur zwei Anbietern in ganz Tirol, die auch Tandemflüge mit einem Drachenflieger machen und sogar der einzige im ganzen Stubaital. Michl, wie er sich selbst vorstellt, fliegt seit er 15 Jahre alt ist, ist staatlich geprüfter Fluglehrer, hat elf Jahre Erfahrung als Flugausbilder und betreibt seit 1998 sein Flugunternehmen fly together. Einen erfahreneren Piloten wird man so schnell nicht mehr finden. Wären wir noch im Mittelalter, so wäre Michl sicherlich ein adeliger Ritter, der Drachen als Haustiere hält.
Ich habe Michl also kontaktiert und ihm von meinem Wunsch, einmal einen Tandem-Drachenflug zu machen, erzählt. Er war sofort bereit mir diesen Traum zu erfüllen und klärte mit mir auch gleich schon mal vorab ein paar persönlichen Voraussetzungen. Dazu gehören: Schwindelfreiheit, eine gesunde körperliche als auch mentale Verfassung und nicht mehr als 85 Kilogramm Körpergewicht. Da ich alle diese Dinge erfüllen konnte, sind wir vorerst so verblieben, dass wir uns kurzfristig – ein paar Tage vor gutem Flugwetter – nochmal zusammenrufen und dann gleich Frühmorgens starten. Da war auch schon der erste große Unterschied zum Paragleiten – die Zeit. Die Vorbereitungen dauern aufgrund des Transportes sowie des Aufbaus des Fluggerätes als auch der passenden Windverhältnisse etwas länger. Man kann also nicht buchen und dann gleich losfliegen wie es beim Paragleiten der Fall ist.
Gute zwei Wochen später war es dann soweit. „Michl Müller – fly2gether“ leuchtete auf meinem Handy-Display auf und ich konnte erahnen was jetzt kommt. „Übermorgen hätten wir perfekte Bedingungen für einen Tandemflug mit dem Drachen. Wie schaut’s aus bei dir?“, fragte mich mein künftiger Pilot ohne Umschweife. Nicht wirklich gefasst auf seinen Anruf aber wissend, dass ich diese Chance nicht verstreichen lassen darf, habe ich sofort zugesagt und den Termin fixiert.
Am Tag der Tat:
Zwei Tage später, 08.30 Uhr morgens, Basislager fly together Neustift: Ich treffe einen gut gelaunten Michl nahe der Talstation der Elferbahnen, unterschreibe meinen „Flugschein“ und erkläre damit, dass ich mit den Beförderungsbedingungen einverstanden bin. Gemeinsam fahren wir dann mit dem öffentlichen Bus zur Talstation der Kreuzjochbahn im Wanderzentrum Schlick 2000 und mit derselbigen hinauf bis auf 2.136 Meter Seehöhe. Den Drachen hat Michl am Vortag schon hochgeschickt und gelagert.
Bis dahin war ich extrem relaxt und entspannt, so langsam wurde meine Aufregung aber stärker. Als wir dann am Kreuzjoch standen und ich auf die dort stehende Startrampe trat, wurde mein Respekt immer noch größer. Eigentlich habe ich da noch nicht ganz realisiert, dass ich da jetzt wirklich runter muss und nur eine Chance habe zu starten. Der zweite Unterschied zum Gleitschirmfliegen – der Start. Wenn da nicht alles glatt läuft, könnte ein Paragleiter seinen Schirm notfalls nochmal runter klappen lassen und müsste ihn dann nochmal auflegen. Hier beim Drachenflieger-Start könnte ich die Rampe runter fallen oder mit der Nase des Drachens einstechen und mich mit etwas Glück nur leicht verletzen – so viel zu gesunder mentaler Verfassung.
Während mir diese Dinge durch den Kopf gingen, hat Michl schon mit dem Aufbau des Fliegers begonnen. Spannweite: 12 Meter, Segel: 20,5 Quadratmeter Fläche, Gewicht der Alukonstruktion und des Gurtzeugs: insgesamt ca. 50 Kilogramm – das waren die Eckdaten unseres Hängegleiters, der technisch gesehen sogar zu den Flugzeugen der Kategorien Nurflügler und Gleitflugzeuge zählt. Alles in allem sollte das Gerät also dann mit uns beiden ca. 200 Kilogramm tragen. Ganz schön viel, aber ein Flugzeug kann das.
Nach dem Aufbau des Geräts mussten wir noch ein wenig zuwarten bis der passende Wind aufkam. Die Wartezeit haben wir bei einem Kaffee am Panoramarestaurant Kreuzjoch überbrückt. Wie es der Zufall so will ist da auch noch mein Tandempilot von damals, Heinz Hupfauf, aufgetaucht. Das musste ich natürlich festhalten (Foto unten).
Dann haben wir uns unser Gurtzeug angelegt und mit einer Trockenübung den Start geprobt. Alles kein Problem, nur meine Hände wurden immer feuchter. Dann auf die Rampe. Leicht versetzt, rechts neben Michl habe ich meinen Platz eingenommen. Die linke Hand am Rücken, am Gurtzeug meines Piloten, die rechte Hand an meinem eigenen Gurt vorne.
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Der Flug:
Mit gespannte Vorfreude und einem sich relativ leer anfühlenden Kopf, ohne viel nachzudenken, stand ich dann da und wartete mit Michl bis der Windspion (ein Faden vorne am Drachen, der die Windrichtung und -stärke anzeigt) gute Bedingungen anzeigte. Beim zweiten Anheben des Geräts dann: „Eins, zwei, drei, los!“. Das Kommando zum Anlaufen. Etwas überrascht, weil nicht wirklich darauf gefasst, bin ich einfach drauf los gelaufen und Wuuuschhh! schon sind wir abgehoben. Der Moment in dem wir die Rampe verlassen haben und ein starker Windstoß uns in die Höhe gehoben hat, war einfach unbeschreiblich. Allzu gerne hätte ich mein Gesicht gesehen. Mehr als ein Paar weit geöffneter Augen und eine vor Staunen nach unten geklappte Kinnlade wären da wahrscheinlich nicht zu erkennen gewesen. Mein Herz raste, der Adrenalin-Pegel stieg rasant an und meine Gedanken schossen nun unkontrolliert durch meinen zuvor noch leeren Kopf. Überwältigt von der Höhe, beeindruckt von dem Panorama und der Kraft des Drachens konnte ich nicht mehr als ein paar unverständliche Stöhner hervorbingen. Mir blieben die Worte und die Spucke weg.
Wir flogen in großen Schleifen ein paar Runden über die Trasse der Kreuzjochbahn, entlang des Hanges, an dem die Thermik genutzt wird, über die Galtalm, Vergör bis nach Neustift zum Landeplatz am Elfer. Genug Zeit um meine Fassung wieder zu finden und den Flug schließlich genießen zu können. Auch um mir von Michl die Steuerung des Geräts erklären zu lassen. Im Großen und Ganzen wird der Drachen durch Gewichtsverlagerung gesteuert. Körper nach links – Linkskurve, Körper nach rechts – Rechtskurve, Körper nach vorne – Beschleunigung! Und die hat es in sich! Während wir im normalen Flug schon mit 50 Km/h geflogen sind, haben wir beschleunigt knappe 70 km/h erreicht. Einfach unglaublich. Das ist dann auch der größte und eindrücklichste Unterschied zum Paragleiten: SPEED! Schon beim Starten braucht ein Drachenflieger mehr Wind, also schnellere und stärkere Winde, er muss eine schneller Startgeschwindigkeit erreichen und beim Flug selbst erreicht er eine deutlich höhere Geschwindigkeit als ein Gleitschirmflieger. Gute Flieger können mit ihren Hängegleitern bei guten Bedingungen schon mal den „Lufthunderter“ (100 km/h) und auch mehr erreichen.
Etwas unbeholfen habe ich dann in der Luft auch mal meine Hände von der sicheren Halteposition genommen und selber das Trapez zum Steuern ergriffen. So einfach die Bedienung des Drachens auch fällt, so verhängnisvoll könnte eine falsche Bewegung sein. Ich habe deshalb nur leicht gelenkt und Michl die meiste Arbeit machen lassen.
Kurz vor der Landung dann noch eine Frage: „ Was muss ich beim Landen machen?“. „Nichts, einfach liegen bleiben“, war die verschmitzt lachende Antwort meines Piloten. Gesagt, getan. Bäuchlings und äußerst sanft glitten wir noch einige Meter über die Wiese bis wir liegend, mit ein paar Grasflecken mehr auf der Kleidung, zum Stillstand kamen. Der Drache war gezähmt! … und ich einfach nur unbeschreiblich glücklich, dass Michl mich dabei als seinen Knappen mitmachen hat lassen.
Den kompletten Flug zum Anschauen: unten in einem kleinen Video ;-)…