Wir haben Schnee! So richtig viel Schnee. Tonnenweise!
Einfach herrlich sieht unsere Winterlandschaft aus, besser als in jedem Bilderbuch.
Für diese Woche hätten wir eigentlich einen Beitrag übers Freeriden geplant, doch bei der aktuellen Lawinenwarnstufe möchten wir euch unbedingt ans Herz legen auf den gesicherten Pisten der Stubaier Skigebiete zu bleiben.
Nur so lange bis sich der Schnee setzt und ein ganz besonderer Stubaier wieder Entwarnung gibt.
Besagter Stubaier ist Mag. Dr. Rudi Mair, Leiter des Lawinenwarndienstes Tirols, dessen Expertise in diesen Tagen außerordentlich gefragt ist.
Unsere Bloggerkollegin Tamara Kainz hat Rudi Mair vor einigen Jahren getroffen und wir finden, seine Info könnte nicht aktueller sein:
Ein Gespräch mit Tirols Lawinenpapst
Rudi ist seit 1999 Leiter des Lawinenwarndienstes Tirol und agiert als gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Meteorologie, Lawinenkunde, Lawinenunfälle und Lawinenschutz. Der 56 Jährige ist mit der Materie also mehr als vertraut. Er hat das perfekte Gespür für Schnee.
Innovatives Lawinenwissen – aus der Praxis für die Praxis – ist eines der Spezialgebiete von Rudi Mair. Der 56-Jährige hat viele Tipps für die Praxis parat! Stolz ist der Stubaier darauf, dass er sein Hobby – die Liebe zu den Bergen – zum Beruf gemacht hat.
In seinem verantwortungsvollen Job geht er voll und ganz auf: „Die weiße Pracht in ihren vielfältigen Formen fasziniert! Da bin ich voll in meinem Element und auslernen tut man nie, denn Schnee ist immer für Überraschungen gut. Natürlich zielt unsere Arbeit in erster Linie darauf ab, Menschen zu warnen und Leben zu schützen. Man darf nicht vergessen, dass schon ein 20 mal 20 Meter großes Schneebrett zum Sterben ausreicht. Viele haben keine Vorstellung davon, welche Naturgewalt eine Lawine darstellt!“
Egal, ob es stürmt oder schneit, im Winter ist der „Lawinör“ sieben Tage pro Woche im Einsatz. Denn obwohl modernste Technik den Lawinenwarnern tausende Daten täglich zur Verfügung stellt, braucht es den Lokalaugenschein vor Ort: „Ich erachte es immer noch als das Wichtigste, draußen selber die Nase in den Schnee zu stecken.“ Von frühmorgens bis spätabends stehen deshalb oft mit Hubschrauberunterstützung diverse Erkundungstouren am Arbeitsprogramm, Schneeprofile und laufend aktuelle Lawinenlageberichte werden erstellt, Unfälle nach Lawinenabgängen erhoben, Wetterstationen repariert etc.
Alpine Gefahren oft unterschätzt
„Wie konnte das passieren?“, ist meist die erste Frage, die sich nach einem Lawinenunfall stellt. Dass das Thema Sicherheit für Freerider, Snowboarder und Skifahrer auch heute alles andere als „Schnee von gestern“ ist, wird noch mal klarer, wenn man weiß, dass Rudi Maiers Schätzungen zufolge inzwischen etwa zwanzig mal mehr Wintersportler abseits der Pisten unterwegs sind als noch vor 20 Jahren!
Was dabei aber nach wie vor oft unterschätzt wird, sind die alpinen Gefahren. Und das kann dramatische Folgen haben! Jeden Winter sterben allein in Tirol etwa 15 Menschen in einer Lawine! Dabei sind laut dem Experten „immer wiederkehrende Gefahrenmuster für einen Großteil der Lawinenunfälle verantwortlich – 90 Prozent (!) der Unglücke könnten bei richtigem Verhalten vermieden werden – wenn die Leute die Zeichen richtig deuten würden. Aber man muss dazusagen, dass relativ gesehen viel, viel weniger als früher passiert. Freilich ist jeder Verunglückte einer zuviel, aber einige erreicht man einfach nicht. Da kann man leider nichts machen.“
Der Fachmann ruft in Erinnerung, dass die Gefahr für Wintersportler bereits unmittelbar außerhalb des markierten Skiraums lauert: „Sobald jemand nur einen Meter abseits der gesicherten Pisten fährt, ist er ganz allein für seine Sicherheit zuständig. Das ist vielen nicht bewusst. Die Pistenränder sind mit Signalkugeln und Absperrungen deutlich gekennzeichnet, bei kritischen Bereichen wird oft sogar mit Warntafeln auf die Lawinengefahr hingewiesen. Bitte unbedingt ernst nehmen!“
Wenn jemand aber trotzdem im freien Skiraum unterwegs sein will? Rudi Mair: „Dann muss man über alpine Grundkenntnisse verfügen und richtig ausgerüstet sein. Vor allem die Grundlagen der Lawinenkunde sind wichtig und Informationen über die akutelle Lawinensituation – bei uns zum Beispiel unter www.lawine.tirol.gv.at – jederzeit top-aktuell auch mit stündlich aktualisierten Wetterdaten etwa aus der Schlick oder vom Stubaier Gletscher.“
Richtige Ausrüstung
Zweifelsohne spielt auch die richtige Ausrüstung eine lebenswichtige Rolle: „Man sollte unbedingt ein Verschüttetensuchgerät dabei haben, damit man im Falle des Falles in einer Lawine auch geortet werden kann. Lawinensonde und Lawinenschaufel, ein ErsteHilfe-Paket sowie ein Handy – um den Alpinnotruf 140 erreichen zu können – sollten ebenfalls nicht fehlen.
Auch zusätzliche Systeme wie der LawinenAirbag (verhindert meist eine Verschüttung) haben sich bewährt. Wenn sich jemand gar nicht auskennt, aber trotzdem den Tiefschnee genießen will, dann ist am Besten, man organisiert sich einfach einen fachkundigen Berg- oder Skiführer! Die kennen sich aus und wissen, wo der herrlichste Pulver lockt!“
Innovativer Lawinenwarndienst
Tja, Schnee ist eben nicht nur weiß und der Winter hat seine eigenen Gesetze, die es zu beachten gilt! Tausende Wintersportler verlassen sich Tag für Tag auf das Urteil des Tiroler Lawinenpapstes und darauf, dass er die Situation richtig einschätzt. Und auch wenn es immer Unbelehrbare geben wird, die – mitunter mit fatalen Folgen – ins freie Gelände aufbrechen, so haben Rudi Mair und Patrick Nairz doch dafür gesorgt, dass die Zahl der Lawinentoten konstant geblieben ist.
In Anbetracht der gestiegenen Zahl an Off-PisteAbenteurern kommt das einer Reduktion gleich: „Ich darf hervorheben, dass wir der modernste und innovativste Lawinenwarndienst in Österreich sind und auch international zur absoluten Spitze gehören.“
Die „Lawinöre“ leisten ihren Beitrag, schlussendlich obliegt es aber jedem selbst, ob er sich der Gefahr des weißen Todes aussetzt, oder nicht.
Gespräch & Text: Tamara Kainz
Bildnachweis: Rudi Mair, Lawinenwarndienst Tirol