2023 finden die zweiten World Mountain and Trailrunning Championships von 6. bis 10. Juni in Innsbruck und im Stubaital statt. Eine Kombination der Weltmeisterschaften für Bergläufer UND Trailrunner ist also recht neu. Nicht neu ist, dass das Stubaital schon Erfahrung in der Ausrichtung von Berglauf-Weltmeisterschaften hat.
Ein Mann, bei dem man in Erzählungen von Stubaier Berglauf-Großveranstaltungen nicht vorbei kommt, ist Ernst Künz. Obwohl er selbst nie aktiver Bergläufer war, spricht man – auch über die Talgrenzen hinaus – vom „Vater des Berglaufs“. Auf das Konto des gebürtigen Bregenzers gehen unter anderem die Gründung des ersten reinen Berglaufvereins im Stubaital, die konstante Durchführung des international beliebten Schlickeralmlaufs, die Beratung beim Glocknerlauf in Heiligenblut und die Gründung einer Berglauf-Grand-Prix-Serie. Zu seinen größten Leistungen zählen aber unzweifelhaft die Durchführung von zwei Berglauf-Weltmeisterschaften und einer Europameisterschaft in Telfes im Stubaital.
Sport – insbesondere Skifahren, Fußball und Leichtathletik – spielte im Leben von Ernst immer schon eine wichtige Rolle und er investierte seine gesamte Freizeit dafür. Auch als er Anfang der 80er Jahre in Telfes im Stubaital sesshaft wurde, hat er sich sofort im hiesigen Sportverein engagiert und es dauerte nicht lange bis er auch Obmann des SV Telfes wurde. Als er dann die Leistungen einiger, junger, wilder Stubaier beim damaligen Stubaier Hüttenmarathon mitbekam, war er fasziniert, inspiriert und infiziert. „Der „Stubai Marathon“, ein Staffellauf über den Stubaier Höhenweg, mit Start und Ziel in Neustift, hat mir imponiert“, verrät Ernst – immer noch mit einem Leuchten in den Augen.
Ab diesem Zeitpunkt galt seine Aufmerksamkeit dem Berglauf und alles ging relativ schnell. „Die Geschwindigkeit, mit der wir im Stubaital professionelles Berglaufen und Rennen realisiert haben, war einmalig. Man muss sich vorstellen: drei Jahre vor der WM 1990 sind Fritz Watzek, der Organisator des Stubai Hüttenmarathons, Bergläufer Florian Stern und ich zusammengesessen und haben das erste Mal überhaupt erst über ein Berglauf-Rennen gesprochen. Ein Jahr später ist die damalige Berglauf-Elite Tirols bereits bei unserem ersten Rennen auf die Pfarrachalm mit dabei gewesen und wieder ein Jahr später ist ein reiner Berglauf-Verein gegründet worden. Läufer aus dem ganzen Stubaital sind dem Schlickeralmlauf SV Stubai beigetreten und schon bald war es der größte Berglaufverein Österreichs“, erzählt Ernst im Schnelldurchlauf.
Ende der 80er-Jahre wurden die Berglauf-Weltmeisterschaften in England nach Österreich vergeben, es hat aber noch keinen festen Veranstaltungsort gegeben. Kolportiert wurde, dass der Veranstalter 1,6 Millionen Schilling aufbringen muss und so viel Geld zu stellen, hat sich fast niemand zugetraut. „Ich war vielleicht auch etwas blauäugig, aber felsenfest davon überzeugt, dass wir in Telfes eine solche Großveranstaltung durchführen können und wir haben uns dafür beworben“, gibt der ehemalige Zehnkämpfer Künz zu.
Zur Vorbereitung wurden zwei Generalproben abgehalten, eine noch auf der Strecke von Telfes zur Pfarrachalm. Die zweite Generalprobe führte dann aber schon auf das Sennjoch im Wanderzentrum Schlick 2000. Die WM-Strecke war damit besiegelt und der Schlickeralmlauf geboren!
Die Kosten für die WM konnten schließlich über Sponsoren gedeckt werden. Ohne die tatkräftige Unterstützung der Stubaier und insbesondere der Telfer Bevölkerung hätte die Großveranstaltung mit 25 Nationen aber nicht durchgeführt werden können. „Die Stimmung zwischen Einheimischen, Athleten und Gästen war einfach fantastisch. Freundlich und voller Hilfsbereitschaft. Ich habe Hausfrauen gesehen, die ihre vollen Einkaufstaschen stehen gelassen haben, um Athleten in bunten Jogging-Anzügen den Weg zum Info-Büro oder ihrem Hotel zu zeigen. Die Schützen haben ihr Vereinslokal in ein Pressezentrum umfunktioniert und die Musikkapelle Telfes hat sogar die Hymnen der verschiedenen Länder einstudiert, um sie bei der Siegerehrung dann live vorspielen zu können. So etwas hat es noch nie gegeben. Ganz Telfes war im Berglauf-Fieber!“, schwelgt der staatlich geprüfte Skilehrer Künz in Erinnerungen.
Die Berglauf Weltmeisterschaft 1990 war ein voller Erfolg. „Die deutsche Welle übertrug Bilder aus dem Stubaital in 128 Länder und generierte acht Stunden an Fernsehübertragungen. Telfes wurde mit einem Schlag zur Nummer eins im Berglauf.“
Sportlich betrachtet sorgten die Leistungen von Lokalmatador Florian Stern als Vize-Weltmeister und Markus Kröll als Junioren Weltmeister für sensationelle Ergebnisse. Das Stubaital im Allgemeinen und Telfes im Speziellen hat Berglauf-Kompetenz bewiesen und sich im internationalen Vergleich hervorgetan. „Ich wusste, dass wir Erfolg haben werden und unsere Region in Erinnerung bleiben wird. Schließlich haben wir mit den Kalkkögeln das schönste Berglauf-Stadion auf der ganzen Welt“, erzählt Ernst, der spätere Berglaufreferent des österreichischen Leichtathletikverbands.
Touristisch gesehen konnten alle fünf Orte des Stubaitals ihre Gastgeber- und Beherbergungs-Qualitäten unter Beweis stellen. „Ich habe Teilnehmer aus verschiedenen Nationen auch im Winter wieder getroffen. Sie sind nach der WM zu uns später dann erneut zum Skifahren gekommen“, weiß Ernst zu berichten.
Auf die WM 1990 folgten noch viele weitere Berglauf-Höhepunkte in Ernsts Leben. Bereits 1996 führte er mit Telfes, als bisher einzigem Ort, ein zweites Mal eine Berglauf-Weltmeisterschaft durch. Dann schon mit 700 Teilnehmern und 32 Nationen. Zwei Jahrzehnte war Ernst OK-Chef des Schlickeralmlaufs, an dem etliche Stars der Szene, wie die Österreicherin Andrea Mayr und Seriensieger Jonathan Wyatt aus Neuseeland immer wieder mitliefen. Mit ihnen – und anderen Läufern – ergaben sich über die Zeit echte Freundschaften und sogar Auszeichnungen von höchster Stelle bekam Ernst Künz verliehen. Am hellsten glänzt das Tiroler Sportehrenzeichen, das er für seine Verdienste im Berglauf bekam!
2009 nachdem er noch eine Berglauf-Europameisterschaft für Telfes organisieren durfte, trat er etwas kürzer und übergab sein Zepter an die jüngere Generation. Zwei Masters Berglaufweltmeisterschaften unterstütze er hernach noch mit seinen Beziehungen und seit 2022 ist er als „reiner“ Zuschauer beim Schlickeralmlauf unterwegs. Das aber sicher noch sehr, sehr lange. Schließlich kümmert sich ein Vater doch stets um sein Baby.